Thursday, September 21, 2023

Munition im Meer

Schadstoffbelastung durch konventionelle Munition


Die Metallhüllen der Munitionskörper (zum Beispiel Bomben, Minen und Granaten) rosten mit der Zeit durch und setzten dabei die enthaltenen Schadstoffe in die Meeresumwelt frei. Bei den Schadstoffen handelt es sich bei konventioneller Munition um sogenannte Sprengstoff-typische Verbindungen (STV) wie 2,4,6-Trinitrotoluol (TNT) und weitere Nitroaromaten, Hexahydro-1,3,5-trinitro-1,3,5-triazin (RDX), Octahydro-1,3,5,7-tetranitro-1,3,5,7-tetrazocine (HMX). Insbesondere TNT und seine ⁠Metabolite⁠ sind als Nitroaromaten giftig, krebserzeugend und/oder erbgutverändernd.

Neben den Sprengstoff-typischen Verbindungen enthält die konventionelle Munition auch Schwermetalle wie Quecksilber. Auch die Schwermetalle gelangen nach dem Wegrosten der Metallhüllen in die Meeresumwelt.

Der analytische Nachweis dieser Chemikalien in der Meeresumwelt ist nicht einfach, da sie zurzeit noch in sehr geringen Konzentrationen auftreten und nur in der Nähe der Versenkungsgebiete höhere Konzentrationen erreichen und sich in Meeresorganismen wie Muscheln anreichern können.

Das Umweltbundesamt hat daher das Institut für Toxikologie und Pharmakologie für Naturwissenschaftler des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel beauftragt, verschiedene biologische Proben (etwa Muscheln und Fische, aber auch marine Säuger) sowie Sediment auf verschiedene Sprengstoff-typische Verbindungen sowie ihre Metaboliten zu analysieren. Die gewonnenen Daten zur räumlichen Verbreitung und zeitlichen Entwicklung von STV in marinen Organismen werden toxikologisch bewertet. Die Ergebnisse der Studie werden voraussichtlich Anfang 2023 veröffentlicht.

Trends zur Verbreitung von Munitionsresten in der Meeresumwelt (TATTOO Projekt)

Schadstoffbelastung durch chemische Munition


In der Ostsee wurde deutlich mehr chemische Munition (5.000 Tonnen) versenkt als in der Nordsee (ca. 90 Tonnen im Helgoländer Loch).

Chemische Kampfstoffe sind militärisch genutzte chemische Verbindungen, die die physiologischen Funktionen des menschlichen Organismus dermaßen stören, dass die Kampffähigkeit der Soldaten beeinträchtigt oder sogar der Tod herbeigeführt wird. Sie wurden im 1. Weltkrieg eingesetzt, im 2. Weltkrieg nur produziert. Dabei handelt es sich um folgende Stoffe: Überwiegend S-Lost (Hautkampfstoff), Tabun (Nervenkampfstoff), Phosgen (Lungenkampfstoff), Chloracetophen (Augenreizstoff) und Clark I, Clark II, Adamsit und Arsinöl (Nasen- und Rachenreizstoffe).

Böttcher et al., 2011 beschreiben die Gefahren für die Meeresumwelt, die von diesen versenkten Kampfstoffen ausgehen: Mit Ausnahme von Tabun sind alle genannten Kampfstoffe schwerer als Meerwasser oder zersetzen sich im Wasser. Versenkter Kampfstoff zeigt somit keine Tendenz, an die Meeresoberfläche aufzusteigen und dort verdriftet zu werden. Bei der Reaktion der Kampfstoffe mit Wasser durch Hydrolyse entstehen weniger toxische Stoffe. Ausnahmen stellen Zäh-Lost (Mischung von S-Lost mit Verdickungsmittel) und arsenhaltige Verbindungen dar. Zäh-Lost (und in geringerem Maße auch normales S-Lost) kann auch längere Zeit nach Freisetzung aus Munitionsbehältern in Form von mehr oder weniger großen, elastischen Brocken auftreten und noch seine volle Wirksamkeit als Hautkampfstoff entfalten, wenn es, etwa durch Hängenbleiben in Fischernetzen, an die Meeresoberfläche gelangt und dort mit der Haut in Berührung kommt. Die arsenhaltigen Verbindungen Clark I, Clark II und Adamsit können aufgrund ihrer Beständigkeit auch längerfristig im marinen Milieu existieren und insbesondere im Sediment lokal in höheren Konzentrationen verbleiben. Sie bilden jedoch keine Klumpen wie Zäh-Lost.

Die meisten der bisher bekannten Unfälle mit Kampfstoffen wurden durch Zäh-Lost rund um das Versenkungsgebiet östlich der dänischen Ostseeinsel Bornholm verursacht, wobei Klumpen von Zäh-Lost in Fischernetze gerieten.

Schadstoffbelastung durch weißen Phosphor


Weißer Phosphor fand als Wirkmittel in bestimmter Brandmunition Verwendung (z.B. Phosphor-Brandbomben). Er stellt eine Modifikation des elementaren Phosphors dar und entzündet sich bei 20 bis 40 °C mit Sauerstoff von selbst und brennt mit bis zu 1.300 °C.

Bis heute werden Brocken von weißem Phosphor, die wie Bernstein aussehen, an deutsche Strände gespült, insbesondere bei Usedom, wo ca. 1,2 Tonnen durch Fehlwürfe von Brandbomben ins Meer gelangten (Böttcher et al., 2011). Hier warnen Warntafeln die Urlauber vor den Gefahren. Durch Verwechslungen mit Bernstein können Unfälle durch Strandfunde von weißem Phosphor eher an den Ostseestränden als an der Nordsee auftreten. Das Landesamt für soziale Dienste des Landes Schleswig-Holstein hat ein Faltblatt für Urlauber mit Informationen zum Gesundheitsschutz bei Kontakt mit Munitionsfunden herausgegeben.

Bergung der Munitionsaltlasten

Gegenwärtig wird bei Gefährdung der Schifffahrt durch Munitionsaltlasten diese durch Kampfmittelräumdienste entschärft, geborgen und der einzigen deutschen Entsorgungsanlage, der Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten in Munster, zur Vernichtung zugeführt.

Falls eine Entschärfung durch Taucher nicht möglich ist, wird die Munition gesprengt. Da dabei die Schadstoffe nicht vollständig vernichtet, sondern erst recht in die Umwelt freigesetzt werden (Maser & Strehse, 2020), sollten Sprengungen vermieden werden. Zudem können Sprengungen durch den Unterwasserknall das Gehör von Meeressäugern verletzen.

Die Umweltministerkonferenz hat 2019 beschlossen, die Daten- und Informationslage zur Gefährdung der Meeresumwelt durch Munitionsaltlasten zu verbessern und auf dieser Grundlage über die Notwendigkeit und Eignung von Maßnahmen, einschließlich Bergung und Entsorgung, zu befinden und mit der Ostsee zu beginnen.

Gegenwärtig wird diskutiert, dass eine schwimmende mobile Entsorgungsanlage für die Vernichtung von Munitionsaltlasten gebaut werden sollte. Der in einem Projekt (ROBEMM) entworfene Prototyp einer unbemannten, videogesteuerten Sammelvorrichtung für Munition müsste im Meer getestet werden. Die Finanzierung all dieser Maßnahmen ist noch zu klären

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