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Wir haben abgetrieben! |
Die 68er-Bewegung,
die Verbreitung der Antibabypille, veränderte Einstellungen zur Sexualethik und der nachlassende Einfluss der katholischen Kirche in Deutschland änderten die Einstellung vieler Frauen und Männer zum Schwangerschaftsabbruch. Anfang der 1970er wurde im Rahmen einer Reform des Strafgesetzes öffentlich über die rechtliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen diskutiert. Die Titelseite der Zeitschrift Stern am 6. Juni 1971 – Wir haben abgetrieben! – bildete einen Höhepunkt in der Debatte und wurde zu einem Meilenstein des Kampfs gegen den Paragraphen 218 des Strafgesetzbuchs. Während insbesondere die katholische Kirche den grundsätzlichen Schutz des Fötus forderte, setzten sich Teile der Frauenbewegung für die komplette Streichung des Paragraphen 218 ein. Auf politischer Ebene standen sich zwei Modelle gegenüber: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion befürwortete eine „Indikationsregelung“, die Schwangerschaftsabbrüche nur unter bestimmten medizinischen (z. B. bei Gefahr für das Leben der Mutter) und ethischen (z. B. im Fall einer Vergewaltigung) Voraussetzungen zuließ. SPD und FDP sprachen sich für eine „Fristenregelung“ aus, nach welcher Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei sein sollten. Am 26. April 1974 entschied sich der Bundestag mit knapper Mehrheit für die Fristenregelung. Diese wurde jedoch am 25. Februar 1975 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, nachdem die CDU geklagt hatte. Am 6. Mai 1976 verabschiedete der Bundestag eine modifizierte Indikationsregelung als Kompromiss.
Dieser Kampf polarisierte die Gesellschaft – neben einigen anderen kontroversen Themen wie Ostpolitik und Atomkraft – bis in die 1990er Jahre in zwei Lager (konservativ/bürgerlich/„rechts“ und „links“).
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